9. Oktober 2025

Ibu­profen im Aus­dau­er­sport: Nut­zen, Evi­denz, Risiken

Kurz­über­blick

Ibu­profen ist ein nicht-ste­ro­ida­les Anti­rheu­ma­ti­kum (NSAR), das über COX-Hem­mung Pro­sta­glan­di­ne senkt und dadurch Analgesie/Antiphlogese bewirkt. The­ra­peu­ti­sche Tages­do­sen lie­gen (je nach Indi­ka­ti­on) typi­scher­wei­se bei 1.200–2.400 mg/Tag; OTC sind meist max. 1.200 mg/Tag, ärzt­lich ver­ord­net in Ein­zel­fäl­len höher (teil­wei­se Ober­gren­zen bis 3.200 mg/Tag in US-Fach­quel­len). Die maxi­ma­le Ein­zel­do­sis in deutsch­spra­chi­gen Fach­in­fos beträgt 800 mg. Dosen ≥2.400 mg/Tag gel­ten als „Hoch­do­sis“ und sind mit erhöh­ten Risi­ken verbunden.

War­um Athlet:innen es nut­zen – und was die Evi­denz sagt

Motiv ist meist die Schmerz­un­ter­drü­ckung wäh­rend lan­ger Belas­tun­gen. Leis­tungs- oder Rege­ne­ra­ti­ons­vor­tei­le sind jedoch nicht belegt; viel­mehr meh­ren sich Hin­wei­se auf Nach­tei­le (z. B. gestör­te Anpas­sungs­pro­zes­se, GI-Bar­rie­re, Nie­ren­be­las­tung). Reviews und Posi­ti­ons­pa­pie­re emp­feh­len Zurückhaltung.

Kern­da­ten aus Stu­di­en bei (Ultra-)Läufen

  • Wes­tern Sta­tes 160 km: Ibu­profen (600 mg Vor­tag + 1.200 mg Renn­tag) → mehr Endotoxinämie/Entzündungsmarker, kei­ne Leistungsverbesserung.
  • Meh­re­re 80 km Wüs­ten-Ultras (RCT): Ibu­profen 400 mg alle 4 h erhöh­te AKI-Rate (Num­ber-Nee­ded-to-Harm ≈ 5,5).
  • Marathon/Multisport: NSAID-Gebrauch kor­re­liert mit Hypo­na­tri­ämie-Risi­ko und GI-Schä­di­gun­g/­Bar­rie­re-Dys­funk­ti­on.

Haupt­risiken unter Aus­dau­er­be­las­tung (bes. Hitze/Dehydratation)

  1. Aku­te Nie­ren­schä­di­gung (AKI) – NSAIDs sen­ken die rena­le Pro­sta­glan­din-Medi­ie­rung; unter Hypovolämie/Hitze steigt das AKI-Risi­ko deut­lich. RCT‑, Kohor­ten- und Über­sichts­ar­bei­ten bele­gen erhöh­te AKI-Raten unter Ibu­profen im Ultra-Setting.
  2. Gas­tro­in­testi­na­le Schä­den – von ero­si­ver Gastritis/Blutungen bis Bar­rie­re-Dys­funk­ti­on und (sel­ten) ischä­mi­scher Koli­tis; Sport-indu­zier­te GI-Beschwer­den wer­den durch NSAIDs verstärkt.
  3. Elektrolytstörungen/Hyponatriämie – NSAID-Nut­zung ist als Risi­ko­fak­tor beschrie­ben; ein­zel­ne Stu­di­en fan­den signi­fi­kant stär­ke­re Na-Abfäl­le unter NSAIDs.
  4. Herz-Kreis­lauf-Risi­ken bei Hoch­do­sen – Regu­la­to­ri­sche Hin­wei­se war­nen vor kar­dio­vas­ku­lä­ren Ereig­nis­sen bei ≥2.400 mg/Tag, beson­ders bei Vorerkrankungen.

Ein­ord­nung des „8.000 mg“-Falls (Kim Gott­wald / Last Soul Ultra)

Öffent­li­che Social-Media-Bei­trä­ge und Dis­kus­sio­nen behaup­ten, Kim Gott­wald habe wäh­rend des Last Soul Ultra 8.000 mg Ibu­profen ein­ge­nom­men. Bele­ge fin­den sich in Social Media/Foren, nicht aber in kli­ni­schen Doku­men­ten; daher ist die Dosis­an­ga­be nicht unab­hän­gig verifiziert.

Wenn eine Gesamt­men­ge von 8 g inner­halb der Wett­kampf­pha­se zutrifft, läge sie weit über den in Fach­in­for­ma­tio­nen genann­ten Tages- und Ein­zel­do­sis-Gren­zen. Poten­ti­el­le Fol­gen (unter Ultra-Bedin­gun­gen mit Schlaf­ent­zug, Dehy­drat­a­ti­on, Hit­ze, Hypo­na­tri­ämie-Risi­ko) wären u. a.:

  • AKI bis aku­tes Nie­ren­ver­sa­gen (ggf. dia­ly­se­pflich­tig, Fall­se­ri­en nach 100-Mei­len-Ren­nen belegt),
  • GI-Blu­tun­gen/­Per­fo­ra­ti­on, Barriere-Schäden,
  • schwe­re Elek­tro­lyt­stö­run­gen, meta­bo­li­sche Azi­do­se, sel­ten Krampfanfälle/Koma in Überdosisszenarien.

Wich­tig: Bei Ver­dacht auf sol­che Men­gen wäh­rend eines Ultras wäre eine sofor­ti­ge ärzt­li­che Abklä­rung (Labo­re: Kreatinin/eGFR, Elektrolyte/Natrium, Hämo­glo­bin, ggf. Stuhl­blut­tests) indi­ziert. (Allg. Toxi­ko­lo­gie/­Über­do­sis-Leit­fä­den).

Pra­xis-Leit­plan­ken für Athlet:innen, Betreuer:innen, Veranstalter

  • Prä­ven­tiv: NSAIDs nicht pro­phy­lak­tisch vor/während Ren­nen ein­set­zen; zuerst Ursa­chen (Pacing, Ernäh­rung, Flüssigkeit/Salz, Magen­ma­nage­ment, Schuh­werk, Trai­ning) adres­sie­ren. (IOC-Kon­sen­sus „Pain Manage­ment in Eli­te Athletes“).
  • Wenn über­haupt (ärzt­lich indi­ziert): nied­rigs­te effek­ti­ve Dosis, nie kumu­la­tiv grenz­wer­tig (kei­ne „Stacking“-Strategien), kei­ne Kom­bi­na­ti­on mit Dehydratation/Alkohol; Magen­schutz erwä­gen; Warn­zei­chen (Dun­kel­urin, Oli­gu­rie, star­ke Bauch­schmer­zen, Hämatemesis/Melena, Schwin­del) → Renn­ab­bruch & Notfallcheck.
  • Auf­klä­rung im Ultra-Set­ting: Offi­zi­el­le Race-Brie­fings soll­ten NSAID-Risi­ken (AKI/­Hy­po­na­tri­ämie/­GI-Blu­tung) expli­zit nen­nen. RCT-Daten lie­fern eine greif­ba­re Bot­schaft: NNT(Harm) ≈ 5,5 für AKI unter Ibuprofen.

Wei­ter­füh­ren­de Schlüsselliteratur

  • RCT: Ibu­profen (400 mg q4h) vs. Pla­ce­bo bei 80 km-Ultras → mehr AKI (EMJ/Ann Emerg Med + Stanford-Zusammenfassung).
  • Feld­stu­die: Wes­tern Sta­tes 160 km → mehr Endotoxinämie/Inflammation unter Ibu­profen, kein Leistungsplus.
  • Hypo­na­tri­ämie & NSAIDs bei Marathon/Multisport.
  • GI-Bar­rie­re/­GI-Blu­tung im Aus­dau­er­sport und Ver­stär­kung durch Ibuprofen.
  • Übersichten/Reviews (2024/2025): NSAR-Gebrauch im Sport – Prä­va­lenz, Risi­ken, Empfehlungen.
  • Regu­la­to­rik: EMA-Hin­wei­se zu Hoch­do­sis-Ibu­profen (≥2.400 mg/Tag) und CV-Risiko.
  • Fach­in­fo (DE): Dosisrahmen/Maximaldosen (Erwach­se­ne) und maxi­ma­le Ein­zel­do­sis 800 mg.

Fazit

Für Aus­dau­er­ren­nen kein sinn­vol­ler Nut­zen, aber rele­van­te Mehr-Risi­ken (Nie­re, GI-Trakt, Elek­tro­ly­te).
8.000 mg (so gesche­hen laut Social-Media-Berich­ten um Kim Gottwald/Last Soul Ultra) wäre, falls zutref­fend, ein inak­zep­ta­bles Risi­ko jen­seits medi­zi­ni­scher Emp­feh­lun­gen. Sol­che Dosie­run­gen sind klar zu verwerfen.