3. September 2025

Ver­let­zun­gen der Adduk­to­ren: Wie sicher ist der Weg zurück in den Sport?

Adduk­to­ren­ver­let­zun­gen gehö­ren im Leis­tungs­sport zu den häu­figs­ten mus­ku­lä­ren Pro­ble­men – direkt nach den Ham­string-Ver­let­zun­gen. Beson­ders Fuß­bal­le­rin­nen und Fuß­bal­ler sind gefähr­det. Den­noch gibt es bis­lang kei­ne ein­heit­li­chen Leit­li­ni­en, nach wel­chen Kri­te­ri­en Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten wie­der in den Spiel­be­trieb ein­stei­gen dür­fen. Auch wis­sen­schaft­lich belast­ba­re Daten sind rar.

Ein For­scher­team um José Luis Esté­vez Rodrí­guez, Ath­le­tik­trai­ner der Schwei­zer Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft, hat sich daher inten­siv mit der Fra­ge beschäf­tigt: Wel­che Fak­to­ren sind für Rehat­rai­ner, Phy­sio­the­ra­peu­tin­nen und Ärz­tin­nen ent­schei­dend, um die Return-to-Sport-(RTS)-Fähigkeit zu beurteilen?

Die Stu­die im Überblick

Für die Unter­su­chung wur­den 67 Exper­tin­nen und Exper­ten aus dem Pro­fi­fuß­ball kon­tak­tiert, 63 nah­men teil. Durch­schnitts­al­ter: 38 Jah­re. Erfah­rung: rund 12 Jah­re im Eli­te­s­port. Alle ver­füg­ten über min­des­tens einen Masterabschluss.

Die Mehr­heit kam aus Spa­ni­en (n = 46), die rest­li­chen Teil­neh­men­den aus Län­dern wie der Schweiz, Por­tu­gal, Eng­land, Argen­ti­ni­en, Ita­li­en oder den USA.

Die Fach­per­so­nen erhiel­ten einen Fra­ge­bo­gen mit 20 Kri­te­ri­en, auf­ge­teilt in drei Kategorien:

  • kli­ni­sche Kriterien
  • funk­tio­nel­le Aspekte
  • Leis­tungs­pa­ra­me­ter

Bewer­tet wur­de auf einer Fünf-Punk­te-Likert-Ska­la von 1 („Stim­me über­haupt nicht zu“) bis 5 („Stim­me voll zu“).

Ergeb­nis­se: Was zählt wirklich?

Am wich­tigs­ten wur­de das Feed­back der Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten selbst ein­ge­schätzt. Alle Teil­neh­men­den gaben hier „stim­me zu“ oder „stim­me voll zu“ an.

Wei­te­re zen­tra­le Kri­te­ri­en waren (in abstei­gen­der Relevanz):

  • Schmer­zen wäh­rend der Krafttestung
  • Schuss­übun­gen
  • Schmer­zen bei Kraftübungen
  • All­ge­mei­ne Kraftwerte
  • „Worst-case Sze­na­ri­os“ (z. B. Chaos-Training)
  • Hoch­be­las­ten­de Teamtrainingseinheiten
  • Vor­ver­let­zungs­wer­te in GPS-Tests
  • Iso­me­tri­sche Krafttests
  • Beweg­lich­keit
  • Exzen­tri­sche Kraftmessung
  • Geplan­te und unge­plan­te Richtungswechsel
  • Bild­ge­bung
  • Pal­pa­to­ri­scher Druckschmerz

Als weni­ger rele­vant (unter 4,0 Punk­ten im Mit­tel) fie­len u. a. durch:

  • Hip and Gro­in Out­co­me Score (HAGOS)
  • Schmer­zen bei zehn Wie­der­ho­lun­gen der Copenhagen-Adduction-Übung

Von der Theo­rie zur Pra­xis: Empfehlungsmatrix

Aus den Ergeb­nis­sen wur­de eine Emp­feh­lungs­ma­trix ent­wi­ckelt, die die drei Kate­go­rien (kli­nisch, funk­tio­nell, leis­tungs­ori­en­tiert) struk­tu­riert dar­stellt. Damit steht Reha­bi­li­ta­ti­ons­teams nun eine ers­te Ori­en­tie­rungs­hil­fe für die Pra­xis zur Ver­fü­gung – wenn auch (noch) ohne wis­sen­schaft­lich abge­si­cher­te Validierung.

Limi­ta­tio­nen

Die Stu­die basiert auf Exper­ten­mei­nun­gen, nicht auf har­ten Daten. Das bedeu­tet: Die Ein­schät­zun­gen sind aktu­ell die best­mög­li­che Evi­denz – aber sie blei­ben ein Kon­sens, kei­ne Garantie.

Posi­tiv her­vor­zu­he­ben ist die metho­di­sche Sau­ber­keit der Daten­er­he­bung. Gegen­über Ein­zel­mei­nun­gen hat die­ses Vor­ge­hen deut­lich mehr Gewicht.

Fazit

Das Ziel aller Return-to-Sport-Tests ist klar: Das Risi­ko einer Wie­der­ver­let­zung minimieren.

Der Kon­sens der Exper­tin­nen und Exper­ten lie­fert einen wert­vol­len Ansatz, bleibt aber ein ers­ter Schritt. Ent­schei­dend wird sein, die­se Kri­te­ri­en künf­tig in gro­ßen Stu­di­en mit rea­len Rezi­div­ra­ten abzugleichen.

Das gilt übri­gens nicht nur für den Pro­fi­sport: Auch bei Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, die nach Ver­let­zun­gen in kör­per­lich for­dern­de Beru­fe zurück­keh­ren, soll­te die Eva­lua­ti­on ähn­lich dif­fe­ren­ziert erfol­gen. Doch gera­de hier fehlt es an Evi­denz noch stärker.

Ein wei­te­res Pro­blem: Die The­ra­pie­wis­sen­schaf­ten lei­den – beson­ders in Deutsch­land – unter Nach­wuchs­man­gel. Das bedeu­tet, dass die drin­gend not­wen­di­ge For­schung wohl nur lang­sam vor­an­kom­men wird.

👉 Kurz gesagt: Adduk­to­ren­ver­let­zun­gen sind ein ernst­zu­neh­men­des The­ma, beson­ders im Fuß­ball. Der nun vor­lie­gen­de Exper­ten­kon­sens lie­fert Ori­en­tie­rung – ersetzt aber kei­ne wis­sen­schaft­lich abge­si­cher­ten Leit­li­ni­en. Bis dahin gilt: Sorg­fäl­ti­ge indi­vi­du­el­le Eva­lua­ti­on bleibt der Schlüssel.